Geschichte des Kirchenchores St. Georg

in Neustadt a. d. Waldnaab


Autor: Günther Langhammer

Obwohl Neustadt viele Jahrhunderte zur Pfarrei Altenstadt a. d. Waldnaab gehörte und erst 1929 den Status einer eigenständigen Pfarrei erhielt, spielte die Kirchenmusik und der Chorgesang in der hiesigen Kirche von alters her eine bedeutende Rolle, sodass es unmöglich ist, ein konkretes Gründungsjahr anzugeben. Deshalb kann nur versucht werden, die lange Tradition des Neustädter Kirchenchores aufzuzeigen.

In der „Musikgeschichte der Oberpfalz“ von Dominicus Mettenleiter wurde bereits 1867 diese Traditionslinie angesprochen:
„Aus dieser einstigen Residenzstadt (= Neustadt) erhielt ich einige Notizen, welche, so wenige ihrer auch sind, gleichwohl einen Einblick in ihr musikalisches Treiben ermöglichen. Seit den ältesten Zeiten (14. Jahrhundert) bestand eine Schule, mit welcher von jeher der Chorregentendienst verbunden war. Über die ältere Kirchenmusik ließ sich lediglich folgendes ermitteln: Sie war höchst einfach und bloß die nötigen Singstimmen, die Orgel, 2 Violinen (an Festtagen 2 Corni) ausgeführt.“  (zitiert nach H. Ascherl, Geschichte der Stadt und Herrschaft Neustadt an der Waldnaab (1982) S. 545)

Zwischen 1558 und 1923 war die Chorregentenstelle an der Pfarrkirche Neustadt meist mit dem Amt des Schulrektors verbunden. Der erste namentlich fassbare Chorregent war 1558 der Schulrektor Mathias Urbanisch. Dass der hier regierende Fürst Ferdinand August von Lobkowitz an der Pflege der Kirchenmusik interessiert war, beweist eine Stelle in Brenner-Schäffers Stadtgeschichte von 1866, wo eine Forderung des Fürsten an die Neustädter Schullehrer vom 19.12.1652 zitiert wird, sie sollen „besseren Fleiß auf die Kirchenmusik verwenden“. (S. 96)
Ausführlich hat der frühe Neustädter Chronist Josef Piehler in seiner „Chronik der Pfarrei Altenstadt a. d. Waldnaab und Neustadt a. d. Waldnaab“ (2. Auflage 1977) die Kirchenmusik in Neustadt und ihre Verantwortlichen untersucht. Er führt ab 1652 die nachgewiesenen Kantoren, Chordienstinhaber und Chorregenten auf (S. 352 – 359 und 367 – 369). Aus seiner Darstellung soll einiges herangezogen werden.

Nach der Gegenreformation wurde auch einer guten Kirchenmusik besonderes Augenmerk gewidmet. Im Jahre 1652 ermahnte der Fürst und der Rat der Stadt, wie oben zitiert, den Lehrer Georg Steger, der zugleich den Mesnerdienst zu verrichten hatte. Vielleicht bewilligte der Fürst auf Bitten von Pfarrer Scheffer deshalb im Jahre 1656 „daß in Neustadt neben dem Schulmeister ein Cantor aufgenommen werde, damit die Jugend besser versehen und die Musika in der Kirche bei den Gottesdiensten bestellt werde.“ Der neue Kantor hieß Georg Beer.

1666 wurde Johann Georg Beyer als Kantor aufgenommen.

1684 trat dann auch der erste Chor- und Schulregens in Neustadt in der Person des Johann Keudl auf, der schon 1686 nach Pottenstein wechselte.

1686 übernahm Johann Sebastian Starkh das Amt; er errichtete auch eine sog. Lateinschule als Vorschule für die Priesterlaufbahn. Deren Schüler „hatten vor allem  auch auf dem Kirchenchor als Singknaben mitzuwirken. Singmädchen gab es damals noch nicht. Starkh scheint den Kirchenchor sehr gehoben zu haben“,  da ihm der Fürst deswegen eine Zulage gewährte.

Ein Nachfolger war (ohne Jahresangabe) Johann Paul Valerian. Nach einem Magistratsprotokoll hat er sich „mit Abwartung der Gottesdienste in Choro wie in foro und Unterweisung der Jugend in geistlichen und anderen rühmlichen Tugenden sehr emsig gezeigt.“

Bereits 1710 hatte der Pfarrer von Altenstadt geklagt, das alles in die Stadt (nach Neustadt) laufe und er in Altenstadt fast nur mehr eine Stillmesse halten und an Samstagen die Litanei nur mehr abbeten könne, „weil man sie in Neustadt, wo Rektor, Kantor und Türmer auf dem Kirchenchore wirken, figuriere, das ist musikalisch halte.“  Seit dem frühen 18. Jahrhundert gab es in Neustadt diese am Samstagabend gesungenen Litaneien zu Ehren der Jungfrau Maria, die durch verschiedene Kirchenstiftungen finanziert wurden. (Piehler, S. 121f)
Hier wird das meist fruchtbare Zusammenwirken von Kantor und Türmer greifbar, wobei erster für Gesang und Chor und der Türmer neben anderen Aufgaben in der Stadt für die instrumentale Gestaltung der Kirchenmusik zuständig war. Der Türmer Söhr wurde z. B. in den Ratsakten 1709 als „achtbarer und kunsterfahrener Musici Instrumentalis“ bezeichnet wie auch sein Nachfolger, Johann Michael Rauch aus Vohenstrauß, Stadt- und Kirchenmusiker zugleich war und als ein „ehrlicher, christlicher, tugendhafter und friedfertiger Mann, in der Musik wohlerfahren“  beschrieben wurde. Er musste nach seinem Vertrag „sowohl in choro als foro nicht allein die in deren Kirchen und Gotteshäusern angestellte Gottesdienste mit Geigen und Trompeten … auch anders erforderte musikalische Instrumenten … versehen“. Nach dem Willen der Kirchenverwaltung waren die Türmer im Kirchenchor dem Chordirigenten und Rektor untergeordnet.

1716 übernahm der Sohn von Starkh, Bartholomäus Starkh, die Rektorenstelle und wurde als Prinzipal des Musikchores , um  „die zum würden St. Georgi-Gotteshaus und Stadtkirchen gehörigen Musikalien gut zu verwahren, die gut zur Musik tauglichen Knaben auszusuchen und solche in der Singkunst nach Kräften zu unterrichten und zwar jeden Tag eine Stunde. Er soll in der Woche wenigstens einmal, wie es seit langer Zeit der Fall sei, die am Sonntag vorzunehmende Musik probieren, wozu er auch seine Chorconsorten, wie Organisten und Türmer, zu berufen habe. Auf dem Chor soll er zur Beseitigung aller Unerbaulichkeit, Geschwatz und Gelächter beitragen, alle nicht hineingehörenden Personen ausschaffen oder bei dem Pfarrer Hilf begehren. Die Knaben, die es begehren, soll er in lateinischer Sprache unterrichten und zu guten Studienfortgang befördern.“
Für den Kantor wurde zudem bestimmt, dass er die drei in der Pfarre Altenstadt befindlichen Orgeln (Neustadt, Altenstadt, Quirin) „gut besorgen und ohne Vorwissen des Pfarrers keinen orgeln lassen soll.“

1720 wurde Christof Adam Reichl Kantor.

Von Ratswegen und mit Zustimmung des Pfarrers  wurde Conrad Linz aus Bamberg 1726 als Rector Chori und Cantor dahier aufgenommen.

Schon zwei Jahre später bekleidete  Johann Adam Ignati aus Staffelstein dieses Amt.

Sein Nachfolger wurde 1738 Adam Michael Nager aus Tirschenreuth, von dem es heißt, dass er „in der Musik accurat sei.“

1738 kam Johann Adam Ignati zurück.

Für die beiden Kantoren Konrad Linz und Adam Frank fehlen nähere Angaben.

Christof Pössl übernahm 1764 die Stelle als Organist und Kantor.

Von 1782 bis zu seinem Tod 1838 blieb Sebastian Dillinger aus Tirschenreuth Rektor, als Kantor wurde 1801 der Sohn Pössls, Franz Josef Pössl eingestellt.

1818  folgte ihm Hyronimus Glüber als Kantor.

1835 wurde Josef Greiner aus Altenstadt Kantor, „dem ein sehr guter Chor nachgerühmt wird“.

1838 wurde Johann Baumgärtner aus Ehenfeld Kantor.

1854 folgte Johann Schauer.

1869 übernahm Johann Hörl die Kantorenstelle.

1873 wurde Johann Reichenberger aus Luhe in das Kantorenamt berufen.

1884 kam mit Jakob Schenkl ein geborener Neustädter auf den Posten des Kantors.

1908 wurde Hans Sturm aus Pfreimd der letzte Kantor, der von Kirchenverwaltung und Stadt gemeinsam angestellt und bezahlt wurde.

Der Umsturz Ende 1918 bereitete den vereinigten kirchlichen und staatlichen Diensten zunächst ein Ende.

Im Jahr 1921 übernahm der Lehrer Hans Fuchs den Chorregentendienst, später auch den Organistendienst, bis 1923 noch einmal die beiden Dienste des Stadttürmers und das Amt des Chorregenten der Stadtpfarrkirche dem studierten Musiker Franz Schnappauf aus Floß übertragen wurden. Er blieb auch nach seiner Entlassung als Türmer 1936 bis zu seinem Tod 1961 Chorregent der Stadtpfarrkirche und führte mit dem Chor auch einige von ihm selbst komponierte Messen auf. Eine Meldung an das bischöfliche Ordinariat im Jahr 1940 lässt erkennen, dass selbst in Zeiten der NS-Diktatur und des Krieges die Kirchenmusik in der Kirche ungemindert gepflegt wurde.
In diesen Jahren scheint sich im Kirchenchor eine kleine Zelle der Resistenz gegen die kirchenfeindlichen Bestrebungen gebildet zu haben. Einige Mitglieder des Kirchenchores gaben nach dem Krieg an, wegen ihrer Mitgliedschaft und Treue zum Kirchenchor beruflich Nachteile (z. B. Verweigerung der Übernahme in den Staatsdienst) bekommen zu haben.
Ein achtseitiges Inventar der hier vorhandenen kirchenmusikalischen Werke belegt zudem die Vielfalt der Chorwerke und es Repertoires des Neustädter Kirchenchors.
Ein amerikanischer Militärgeistlicher, D. J. Murphy, erwähnte in seinen Tagebuchaufzeichnungen aus Neustadt und Umgebung immer wieder die festliche Liturgie und den beeindruckenden Chorgesang in Neustadt.
"June 3, 1945 — SUNDAY. Mass as usual at 9 in the gym at Waldsassen, (165—5—5). No officers at the Mass. Went on to Hq. and Special Troops at Neustadt for Mass at 11:15. This was a High Mass with Benediction because it was the Sunday within the octave of Corpus Christi. The big choir sang well, (113—5—0). Had four altar boys."

Der Nachfolger von Franz Schnappauf, Herbert Fellmann, leitete den Kirchenchor bis zu seinem Tod 1970 und bemühte sich neben den rein gottesdienstlichen Verrichtungen auch um Kirchenkonzerte. Aus seiner Zeit (1966) stammt ein Fragebogen, der den Zustand des Kirchenchores in diesen Jahren sichtbar macht.
Mit Heribert Bauer (+ 2017) wurde noch einmal die alte Verbindung Rektor und Chorregent erneuert. Nach J. Piehler „verstand (er) es, den Chor zu verjüngen und zu vergrößern. ... Das Niveau der Kirchenmusik in Neustadt wurde gehoben, sowohl durch gut aufgeführte lateinische Ämter als auch durch gute Kirchenkonzerte.“

Seit 1992 sind mit Harald Bäumler wieder einem Flosser die Kirchenmusik und der Neustädter Kirchenchor anvertraut.

Zusammenfassend würdigte der Chronist Piehler den Stand der kirchlichen Chormusik in Neustadt sehr positiv:
„Die Chormusik in Neustadt hat sich immer auf der für eine Stadtpfarrkirche erforderlichen Höhe gehalten. Schon in alter Zeit wurde die Kirchenmusik selbst vom Bischof gelobt; damals hatten ja auch die Stadttürmer mit allen ihren Gehilfen auf dem Chor mitzuwirken, vor allem an jedem Sonn- und Festtag. Alte Leute erzählen noch, daß selbst die alte Stadttürmerin Rauch noch oft auf dem Chor die Baßgeige spielte, von Ämtern mit Zinken und Posaunen ist vielfach die Rede; die beiden Pauken von damals standen bis 1970 auf dem Chor. Die Kirchenmusik war mit der Anlaß, daß seit zweihundert Jahren auch die Landleute gerne nach Neustadt in den Gottesdienst kamen und daß allmählich die Pfarrgottesdienste von Altenstadt überhaupt in die Stadtkirche verlegt wurden."

Auch in den Lokalzeitungen wurden die Leistungen des Kirchenchores nach kirchlichen Hochfesten immer wieder gewürdigt. Die erste greifbare Nachricht dieser Art stammt aus der Naab-Zeitung im Jahr 1915. Am 11.4.1917 schrieb die Naab-Zeitung: „Das feierliche Hochamt wurde durch unseren Kirchenchor in bekannt tüchtiger Weise verschönt, dessen Leistungen auch während der anderen hl. Tage lobend erwähnt seien.“ An gleicher Stelle wurde an Ostern 1924 wieder der Kirchenchor herausgestellt: „Besonders zu erwähnen ist die Grabmusik am Charfreitag und das ‚Missa stella Maris‘ am Ostersonntag beim Hochamt von Griesbacher. Chor und Orchester waren mit Ihrem ganzen Herzen bei der Sache.“
In der euphorischen Anfangsphase der NS-Herrschaft berichtete die Naab-Zeitung anlässlich der staatlichen Feiern zum 1. Mai 1933 und zum Tag des Bauern am 3. Oktober (früher Erntedankfest) über die Leistungen des Kirchenchors.
 „Die Kirche war mit mächtigen Kränzen und Festbeleuchtung geschmückt und als Hochwürdiger Herr Stadtpfarrer zum Altare schritt, brausten die Orgeltöne wuchtig durch das Gotteshaus, einleitend die heilige Handlung, die verschönt war durch die bezaubernde Messe von Faist Opus 30, mit viel Hingabe, exaktester Genauigkeit dargeboten vom unermüdlichen Kirchenchor Neustadt unter Stabführung ihres ausgezeichneten Dirigenten Schnappauf.“
„Den Festgottesdienst zelebrierte Hochwürdiger Stadtpfarrer Gruber umrahmt von den glänzenden Darbietungen des weitbekannten Kirchenchores unter der sicheren Stabführung des Lehrers Enslein und der anmutigen Begleitung des Orgelspielers Heinrich Walbert.“

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